Menu

GBS Schweiz

  • de
  • en

Technophobie – Wer hat Angst vor der schönen neuen Welt?

on Mai 16. 2014

Warum sind so viele Menschen technophob? Handelt es sich um rationale Ängste? Besteht eine unmittelbare Gefahr? Im Film Transcendence spielen technologiefeindliche Extremisten eine zentrale Rolle im Geschehen. Sie sind der festen Überzeugung, dass die Technologie und insbesondere eine fortgeschrittene künstliche Intelligenz eine immense Bedrohung für unsere Menschlichkeit und sogar die Menschheit darstellt. Eine interessante Frage, welcher wir uns widmen wollen, dreht sich um das Warum. Warum sind oder werden Menschen technophob? Natürlich gibt es eine Vielzahl an Erklärungsmöglichkeiten. Der Status-Quo-Bias ist beispielsweise eine offensichtliche. Diese Beitragsreihe beschäftigt sich mit zwei möglichen Hauptgründen für unsere technophobe Intuition – einerseits dem Einfluss aus Literatur und Film, und andererseits dem Gefühl des Unabhängigkeitsverlustes.

Terminator

Haben Sie schon einmal einen Film mit einer funktionierenden utopischen Zukunft gesehen? Vielleicht einen (wirklich) utopischen Roman gelesen? Wahrscheinlich nicht. Wenn überhaupt stellt sich die scheinbare Utopie als eine Dystopie heraus, in welcher der einsame Held die komplette Welt rettet und dabei noch die Frau abbekommt. Ein Film oder ein Roman, in welchem nichts Dramatisches passiert, empfinden wir meist einfach nur als langweilig. Und eine Zukunft, in welcher alle happy sind, lässt sich nicht an den Zuschauer bringen. Wir brauchen ein dramaturgisches Mittel, um eine Storyline zu inszenieren. Dieses dramaturgische Mittel ist in der Science Fiction eine bestimmte Verwendungsweise einer „gefährlichen“ Technologie. Tatsächlich ist nicht die Technologie als gefährlich zu betrachten, sondern eine mögliche Verwendungsweise. Aber dies nur nebenbei. Ob Werke wie Terminator, Matrix, I, Robot, BladeRunner, 1984 oder Schöne neue Welt – überall wird Technologie zum Verhängnis der Menschheit. Ob uns dieses Bild prägt? Sicherlich. In gewisser Weise werden wir dazu konditioniert, mit „Zukunftstechnologien“ Begriffe wie „Dystopie“, „Zerstörung“ und „Untergang der Menschheit“ zu assoziieren.

 

Versuchen Sie es einmal. Sagen Sie einem Ihrer Freunde oder Ihrer Bäckerin, dass sie Kognitionswissenschaftler sind. Die Bäckerin wird höflich nicken, ohne zu verstehen, womit Sie Ihr Brot verdienen. Sagen Sie ihr dann, dass Sie sich auf das Forschungsfeld der künstlichen Intelligenz spezialisieren, wird in ihrem Kopf der Suchlauf nach allen Verknüpfungen zum Thema „künstliche Intelligenz“ initialisiert. Nach kurzem Nachdenken spuckt sie ihre wenigen Suchergebnisse aus: Terminator, Matrix, I, Robot sind die üblichen Verdächtigen. Eine fortgeschrittene AGI (Artificial General Intelligence), die ein Bewusstsein auf dem Stand eines Menschen hat und mindestens so intelligent ist wie ihre Schöpfer, beschliesst kurzerhand, dass die Menschen nichts mehr zu sagen haben. Daher werden sie entweder ausgelöscht oder versklavt und müssen als Batterien herhalten. Was soll sich die Bäckerin dabei sonst denken? Dies sind die einzigen Bilder, die sie von KI-Forschung hat. Vielleicht denkt sie noch kurz darüber nach, Ihre Brötchen zu vergiften, damit Sie es nicht mehr hinbekommen, Skynet zu erschaffen und somit die Auslöschung der Menschheit zu verantworten haben. Spass beiseite. Fakt ist nun einmal, dass wir im Alltag nicht viel mit der Idee von Zukunftstechnologien zu tun haben. Die meisten von uns stossen lediglich durch Literatur und Film darauf. Und da in einer guten Geschichte etwas ordentlich schief laufen muss, vermitteln uns diese Medien ein negativ angehauchtes Bild von diesen Zukunftstechnologien. Leider scheint uns oft unsere Intuition auszureichen, uns für oder gegen etwas zu positionieren. Manchmal scheint unsere Intuition so stark zu sein, dass wir eine rationale Reflexion für Zeitverschwendung halten. Ob wir unserer Intuition immer vertrauen sollten? Ich bezweifle es.

 

Nehmen wir eine relativ simple und bereits existierende Technologie – die PID (Präimplantationsdiagnostik). Sie dient dazu, Embryonen bei einer In-vitro-Fertilisation auf Erbkrankheiten und Anomalien der Chromosomen zu überprüfen. Die PID kann als sehr nützliches Mittel verstanden werden, zukünftigen Kindern ein leidfreieres Leben zu ermöglichen. Doch ist die PID in einigen Ländern wie in Italien, Österreich und der Schweiz komplett verboten. Seit 2010 ist der Einsatz der PID in Deutschland gelockert, was einen begrenzten Einsatz ermöglicht. Natürlich schwingt ein großer Rattenschwanz an ethischer Debatte bei diesem Thema mit. Und ich möchte diese Debatte hier nicht von neuem aufmachen. Doch vermute ich, dass die Grundneigung vieler PID-Gegner in einem prinzipiellen Misstrauen gegenüber Technologie begründet liegt. Schnell kommen Szenarien wie aus Aldous Huxleys Schöne neue Welt in den Sinn, in welcher Menschen grundsätzlich künstlich hergestellt und von Geburt an in Klassen eingeteilt werden. Die Alphas sind den Betas in allem überlegen, während die Betas den Gammas überlegen sind, etc. Huxleys schöne neue Welt stellt eine klare Dystopie dar. Aber führt uns die PID zwangsweise zu einer biologisch geteilten Klassengesellschaft? Ich bezweifle es. Aber dies sind die Bilder, die uns in den Kopf kommen, wenn wir auf Technologie stossen, die wie in diesem Fall in die Biologie des Menschen eingreifen. Ähnlich verhält es sich bei der Gentechnik. An dieser Stelle sei erwähnt, dass es selbstverständlich Risiken und ethische Bedenken gibt, die nicht ausser Acht gelassen werden sollten. Jedoch sollte man sich nicht von der Intuition leiten lassen, die einem Literatur und Film vermittelt haben.

Serie: Technophobie

  1. Wer hat Angst vor der schönen neuen Welt?
  2. Verlust der Unabhängigkeit?
Bild von SebKe